Göttingen, den 12.11.2019
Am 12.11.2019 veranstalteten die drei Göttinger Amnesty Gruppen im Gemeindehaus der Evangelischen Reformierten Gemeinde eine szenische Lesung zur Person des Juristen Fritz Bauer (1903-1968), heute vor allem bekannt als Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse.
Als Kind jüdischer Eltern und politisch schon in jungen Jahren aktiv war Fritz Bauer während des Nazi-Regimes einige Zeit inhaftiert und konnte später nach Skandinavien emigrieren. 1949 kehrte er nach Deutschland zurück und war als hessischer Generalstaatsanwalt entscheidend für die Einleitung und Durchführung der Auschwitzprozesse (1963-1981) verantwortlich. Er half unter hohem persönlichen Einsatz Israel bei der Ergreifung Adolf Eichmanns. Seine Definition von Nazi-Deutschland als Unrechtsstaat ebnete den Weg zur Rehabilitation der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944.
Bauer sah sich zeitlebens mit persönlichen, behördlichen und politischen Anfeindungen konfrontiert. Obwohl er eine prominente Persönlichkeit war, war er nicht frei von Selbstzweifeln und Einsamkeitsgefühlen. Er selbst schätzte die Auswirkungen seines Tuns nicht sonderlich hoch ein.
Der Veranstaltung lag das Skript des Autors Dieter Schenk (www.dieter-schenk.info), Preisträger des Fritz-Bauer-Preises der Humanistischen Union 2003, zugrunde. Dieser war persönlich bei der mit ca. 70 Person besuchten Lesung anwesend. Schenk verfasste ein fiktives Interview, das auf Reden und Schriften Bauers beruht, und in dieser Form sowohl die Arbeit als auch den Menschen Fritz Bauer hautnah erlebbar machte.
Der Schauspieler Gerd Zinck (DT Göttingen) interpretierte an diesem Abend eindrucksvoll die Rolle des Fritz Bauer. Michael Bokemeyer (AI Bovenden) und Kira Herff (Amnesty-Hochschulgruppe) bildeten das „Amnesty-Interview-Team“. Musikalische Zwischenstücke, in denen das Publikum das Gesprochene auf sich wirken lassen konnten, wurden von Angelika Brenner (Piano) und Christina Jacobi (Querflöte) dargeboten. Am Ende warf der Tagebucheintrag einer Weggefährtin Fritz Bauers, gelesen von Andrea Wendt (AI Stadtgruppe), ein Schlaglicht darauf, wie Fritz Bauer von ihm nahestehenden Leuten wahrgenommen wurde.
Wohl keiner im Publikum konnte unbeeindruckt von der Scharfsinnigkeit, Integrität und Zielstrebigkeit Fritz Bauers bleiben, der die juristische Aufarbeitung der Naziverbrechen gegen jegliche Widerstände und unter völliger Hintanstellung seines persönlichen Lebensglücks vorantrieb. Sein ganzes Wirken war darauf gerichtet, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfahren, unbequeme Wahrheiten ausgesprochen und Schuldige zur Verantwortung gezogen werden sollten.
Nach zweieinhalb Stunden endete die Veranstaltung, die im Rahmen der Ökumenischen Friedensdekade 2019 stattfand.